Monatsgedanke November

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Die jüdische Dichterin Rose Ausländer hat mehrere Gedichte zum Themenkreis Hoffnung geschrieben, die von ihrer eigenen existentiellen Erfahrung geprägt sind. Eines davon trägt den Titel Hoffnung II.

Es lautet:

„Wer hofft, ist jung. Wer könnte atmen ohne Hoffnung, dass auch in Zukunft Rosen sich öffnen, ein Liebeswort die Angst überlebt.“

(vgl. Rose Ausländer, Im Atemhaus wohnen, Gedichte, Frankfurt am Main 1981, S.43)

Die Hoffnung gehört zu den Lebensgrundlagen unseres Menschseins wie der Atem. Hoffnung ist eine Kraft in uns, die sich stärker erweisen kann als Angst, Verzweiflung und Müdigkeit, eine Kraft, die uns ausweglos erscheinende Situationen durchstehen lässt, die uns beflügelt und antreibt und den nächsten not-wendenden Schritt tun lässt.

Wer hofft, ist auf Zukunft ausgerichtet und nicht mehr ausschließlich verhaftet in belastender Vergangenheit oder auswegloser Gegenwart mit ihren unveränderlichen Fakten.

Wer hofft, setzt auf das je Bessere, glaubt daran, dass das Bessere möglich ist, glaubt an Weiterentwicklung, an das Rettende und Wandlung. Hoffnung bekomme ich auch durch andere Menschen: deren Wertschätzung, ein liebenswürdigen Blick, ein gutes Wort, Verlässlichkeit und treue Zuwendung in einer schwierigen Situation, lässt die Kraft der Hoffnung wachsen. Wir brauchen einander in solidarischer Hoffnung.

Was die Hoffnung herausfordert, sind die schmerzhaften Abschiede und Verluste, die uns ereilen. Eltern, die ein Kind durch Krankheit oder einen Unfall verlieren, alle Opfer von Gewalt reissen die Frage auf: was können wir für sie hoffen?

Die Hoffnung, von der das Neue Testament berichtet, weist über unser jetziges Leben hinaus. Diese Hoffnung ist verknüpft mit Jesus Christus.

Im Neuen Testament heisst es: «Denn wir sind gerettet auf Hoffnung hin. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht?» (Röm 8, 24)

Diese Rede von Hoffnung hat eine Qualität, die über ein blosses «Durchhalten» hinausgeht. Die christliche Hoffnung  trägt auch dann, wenn die Faktenlage deutlich dagegen spricht. In diesem Sinne dürfen wir getrost den Vorschlag eines evangelischen Christen annehmen, der gesagt hat: «Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.»

Text: Pfarrerin Martina Brendler; Bild: pixabay

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