Monatsgedanke November

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Der römische Dichter Horaz prägte in einem Gedicht den bekannten Ausspruch «Carpe diem», «Nutze den Tag», und fügte der Lebensweisheit hinzu: «als würde es kein Morgen geben.»

Gäbe es kein Morgen, wäre heute der letzte Tag. Für mich wäre das keine reizvolle Sicht auf den Tag und die Dinge, die ich tue. Die biblische Bitte «Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden», ist mir näher. Es ist von Lebensklugheit die Rede, die nicht nur darauf aus ist, aus der Tube des Lebens noch den letzten Rest rauszuquetschen, weil es danach nichts mehr gibt. Vielmehr geht es um den Wert der Zeit, den wir Menschen füreinander haben und die Hoffnung darauf, dass so, wie am Anfang jemand da war, der uns geborgen und ins Leben geführt hat, auch am Ende jemand da ist, der uns bei sich birgt.

Der Theologe und Mystiker Gerhard Tersteegen formuliert: «Ein Tag der sagts dem andern, mein Leben sei ein Wandern zur grossen Ewigkeit.»

Gott birgt uns bei sich im Leben und Sterben. Gott hat Zeit. Zeit, die nicht in unseren Agenden steht. Bei ihm sind Zeit und Ewigkeit. Am Ende des Kirchenjahrs, am Ewigkeitssonntag, erinnern wir wieder an die Menschen, die wir loslassen mussten. Wir zünden Kerzen an und nennen in den Gottesdiensten ihre Namen. Wir hören die Verheissung, dass über unser Verstehen hinaus Gott Lebende und Tote bei sich birgt.

Pfr. Lars Heynen

Bild: Jordan Benton @pexels.com

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